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Scherze in Quart. Zur literarischen Darstellung historischen Buchgebrauchs bei Jean Paul, Gottfried Keller, Wilhelm Raabe und Theodor Fontane
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Sinn, C. (2019). Scherze in Quart: Zur literarischen Darstellung historischen Buchgebrauchs bei Jean Paul, Gottfried Keller, Wilhelm Raabe und Theodor Fontane. Medium Buch, 1, 107-121. https://doi.org/10.13173/wif.1.107
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by-sa/4.0/
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Platinum OA
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Fields of Science and Technology (OECD)
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Ausgehend von von Graevenitz’ Beobachtung, dass viele Zeitschriften des Realismus sich als 'Gedächtnisbücher' für Kultur und Bildung verstanden und präsentiert haben, vermutet der Beitrag strukturelle Analogien zwischen den Nachrichtenarrangements dieser Gedächtnisbücher mit den materiellen Bedingungen überlieferter memoria. Denn als memorial konstruierter Raum bleibt das Buch von den historischen Maßen des jeweiligen Schriftträgers abhängig, die es gleichwohl in literarischen Darstellungen reflektiert. Ende des 18. Jahrhunderts existieren zwar kaum kulturelle oder gar normierte Vorgaben, wie der Raum eines Bogen Papiers zu füllen sei. Allerdings existieren im Wesentlichen nur drei Papierma ß e, deren kognitive Relevanz durchaus reflektiert wird: «Wie die Buchbinder Quart, Oktav, Folio haben, so dünkt mich auch, dass das Band, mit dem der Autor seine Gedanken verbindet, sich nach dem Formate des Buches richten soll». Das Zitat entstammt Jean Pauls Faszikel 7: Berichte werden, v.a. in juristischen Kontexten zu Faszikeln zusammengebunden und damit stellt sich die Frage nach der internen Kohärenz der einzelnen Berichte. Diese ist nicht notwendigerweise gegeben und daher kann sich auch Jean Paul über die semantische Heterogenität dieser faktualen Textsorte innerhalb seiner fiktionalen Scherze in Quart lustig machen. Um Faszikel als ‚Gedächtnisbücher‘ und diese als ‚Geschichte‘ zu konstruieren, sind die Paratexte und v.a. die Buchtitel relevant, für die Jean Paul eine eigene Textsorte kreiert, wie er in seinen Vorworten den historischen Buchgebrauch ausgiebig reflektiert. Die Memoria als Buch-Prinzip, perfektioniert in den Encyclopädien der topica universalis, verwandelt alltägliche Dinge in Erinnerungsbilder: « […] ein halbes Dutzend silberne Teelöffel, ein Vaterunser mit Gold auf einen roten durchsichtigen Glasstoff gedruckt, den sie Menschenhaut nannte, einen Kirschkern, in welchen das Leiden Christi geschnitten war […]». In einem sich über eine Seite erstreckenden Satz überführt der Erzähler Gottfried Kellers in Die drei gerechten Kammacher die lineare Sukzession von Dingen in ein Memorialbild . Damit stellen sich Fragen nach dem Zusammenhang von Kognition und schreibräumlichem Denken. Aber auch das Schreiben wird durch Bücher erlernt. Jean Pauls Fibel schreibt nicht nur als Sekundarschüler eine Fibel für Primarschüler, er konstruiert aus dem Alphabet neue Alphabete und weil er darin Genie zeigt, braucht er selbst keine Fibel. Diese Reflexion auf die Materialität des Buches als notwendiger Erkenntnisbedingung setzt sich in der Jean Paul-Rezeption Raabes potenziert fort. Indem der Erzähler von Die Chronik der Sperlingsgasse die Zeitung weglegt und zu einem ‚alten Buch‘ greift, überschreitet er mit der medialen zugleich eine kognitive Grenze und betritt strukturanalog zu Träumen innere unermessliche Räume der Stille. Beide Aspekte, die Reflexion auf die kognitive Relevanz des Buchgebrauchs wie auf dessen komplexe medienhistorischen Bedingungen sind im Falle Fontanes durch die textgenetischen Stufen von Handschrift, Zeitschriftenabdruck, Buch gut belegt. Da die Zeitschriftenhonorare höher als die Buchvergütungen waren, wollte Fontane seine poetischen Texte einerseits als Fortsetzungen gedruckt sehen. Andererseits verstößt die ‚Autobiografie‘ Von Zwanzig bis Dreißig aufgrund ihrer zahlreichen anthropologischen Reflexionen durch Anekdoten, Reiseberichte, Tagebuchumarbeitungen und Implementierung anderer Biografien, gegen den autobiografischen Pakt mit dem Leser und zwingt ihn zur Reflexion seines eigenen Buchgebrauchs durch das Buch selbst.
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PHSG - Institut Fachdidaktik Sprachen
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September 1, 2021